sechzehnter tag

 Als ich aufstehe, macht Bruno eine Fresspause. Sein Bauch sieht gut gefüllt aus; das freut mich, er hat es verdient, nach der langen Tour gestern.

Ich mache mich mit Waschzeug auf den Weg zu den Toilettencontainern. Es gibt mehrere. Auf einer Tür steht „toaleta damski“, das passt. Mit leichten Verrenkungen wasche ich mir in dem kleinen Waschbecken sogar die Haare. Alles perfekt. Um neun hat die Straße uns wieder. Mit der Wegbeschreibung werde ich gut vorankommen, denke ich... Aber schon das erste Abbiegen ist unmöglich: eine funkel nagel neue rot weiße Schranke versperrt den Weg.

 

Das kann doch nicht sein!!! Aus Erzählungen von gestern weiß ich, dass auch der andere Weg auf der Karte in einer Sackgasse für Kutschen endet. Bleibt nur die Hauptstraße bis Celle? Das wäre sehr unschön!! 17km, das heißt fast drei Stunden an einer sehr befahrenen Hauptstraße. Nicht besonders reizvoll. Ein Landwirt fährt mit seinem Trecker über das benachbarte Feld. Den werde ich fragen!

Er holt extra seinen Vater, der kenne sich noch besser aus. Dann bekomme ich eine Alternativstrecke beschrieben, die aller kleinsten Wege auf der Karte, die auch teilweise nicht so gut zu fahren seien, aber er sei letzte Woche mit dem PKW dort lang gefahren. Es ist ein Versuch wert. Und es lohnt sich! Wir fahren durch wunderschöne Landschaft, fernab von Verkehr und jeglicher Zivilisation. Erst am Ende meiner 8km langen Umleitung begegne ich den ersten Radfahrern.

 

Kurz darauf denke ich schon an Mittagspause. Bruno soll es heute gemütlich haben. Ein Pferdehof ist in Sicht, aber kein Mensch da. Ein netter Landwirt vom Nachbarhof kommt, wir reden ein wenig. Ich Tränke Bruno und will weiter. Im nächsten Ort soll ich bei Herrn Grube, dem Bürgermeister, halten, der habe Pferde, würde auch Kutsche fahren, sei für alles offen und hätte bestimmt gute Tipps für mich, rät der nette Landwirt. Vielleicht sollte ich das wirklich versuchen?

 

Als ich gerade fahren möchte, kommt die Stallbesitzerin. Ich frage trotzdem noch nach einer Wiese für 1-2 Stunden. Aber sie lehnt ab: Sie habe Schwierigkeiten mit fremden Pferden im Stall, in der Gegend gäbe es Druse...

 

Ich fahre weiter.

 

Es ist eins, als ich in Großmoor ankomme, noch dazu ein Sonntag. Aber es hilft nichts, Bruno soll heute nicht so weit laufen. Mit einem Nachfragen finde ich die richtige Hausnummer des Bürgermeisters. Ich fahre ein.

 

Es gibt nicht nur ein Haus, wo soll ich fragen? Ich halte vor den Wiesen. Im Garten wird gebaggert, aber das stört Bruno nicht. Ich sage mein Sätzchen auf, aber die junge Frau muss erst im anderen Haus nachfragen. Sie kommt mit einem „JA“ zurück. Bruno darf auf die Wiese um den Roundpen. Ich stelle mein „Haus“ davor ab. Alles prima. Ich bekomme gezeigt, wo ich Wasser finde und bin allein.

 

Bei strahlendem Sonnenschein hole ich meinen Stuhl heraus und erstmals auch die Polnischbücher... Allerdings komme ich nicht weit. Mir wird Tee gebracht, eine Reitbeteiligung kommt. Wir reden etwas. Damit sie auf den Roundpen kann, halte ich Bruno kurz fest.

Der niedliche Mischling „Rüdiger“ macht sich mit Balou bekannt und verliebt sich in ihn... Balou nimmt alles ganz gelassen, wie gewohnt. Nach ausgiebigem Frisbeespiel bei sommerlichen Temperaturen verschläft er Rüdigers Liebesattacken. Er ist einfach genial!!

 

Neben Brunos Wiese stehen viele Schafe. Es sind besondere Schafe: sie haben vier Hörner, daher auch ihr Name: Vierhornschafe!

Dann kommt ein Mann mit originellem Hut: Der Hut hat einige Federn. Er spricht mich kurz an, dass er noch keine Zeit habe, mich aber zum „Meinungsaustausch“ um sechs vor dem Haus einlädt.

Bis dahin lese und schreibe ich etwas. Dann ist es sechs. Ich gehe mit Balou durch den blitzsauberen Stall. Vor dem „Reiterstübchen“ (es hatte einen anderen Namen) sitzen schon fünf Menschen. Ich setze mich dazu. Nach kurzer Zeit werden es zehn. Wolfgang bringt allen zu trinken. Es ist eine sehr nette Runde und wird ein sehr schöner Abend. Ich fühle mich total wohl in der Runde. Wie mittags vom netten Landwirt prophezeit, bekomme ich wertvolle Tipps. Natürlich wird auch meine nächste Etappe bis Ahnsbeck auf der Karte eingezeichnet. Aber ganz besonders freue ich mich über das “Franzosenöl“, einer stinkenden Flüssigkeit aus der Apotheke, die aufgrund des Gestanks zwar einsam mache, aber zuverlässig vor Bremsen schützen soll. Wolfgang schenkt mir die Flasche – ich bin total glücklich!!! Vielleicht sichert sie meine Weiterfahrt, wenn die Bremsenplage losgeht. DANKE!!! Außerdem bekomme ich noch ein Glas Honig aus dem Nachbardorf geschenkt. So werde ich beim Frühstück noch lange an Großmoor denken.

Wir sitzen lange zusammen, erzählen viel. Einige gehen, andere kommen. Es wird immer getrunken. Ich – überhaupt nicht trinkfest – merke schon das erste Glas Rotwein. Es folgen weitere, und Schnäpse. Aber der Weg zum Planwagen ist ja nicht so weit...

Wolfgang möchte mein Kommen für das Dorf pressewirksam nutzen und organisiert für den nächsten Morgen um neun einen Fototermin vor dem Dorfladen.

Irgendwann fängt es an zu regnen, wir gehen rein und erzählen weiter. Erst kurz nach elf mache ich mich auf den Weg ins Bett.

Es ist eine ausgesprochen nette Dorfgemeinschaft!! Und wahrscheinlich hat Wolfgang seinen Anteil daran. Sicher ein besonders schöner Ort zum Leben!!

 

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